Farbe bekennt Raum: Street Murals zwischen Gleichstellung und Verkehrssicherheit
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Erstellt am 03.11.2025
Temporäre Bemalung des Viktoriaplatzes anlässlich der Frauenfussball EM. (Foto: Stadt Bern)
Seit Juni dieses Jahres ziehen in Bern leuchtende Farbflächen auf Asphalt und Trottoirs die Blicke auf sich. Die sogenannten Street Murals sind mehr als städtische Dekoration: Sie erhöhen die Aufenthaltsqualität, machen weibliche Präsenz sichtbar und stellen Fragen nach Gleichstellung und Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum. Im Rahmen des Aktionsplans Gleichstellung und anlässlich der UEFA Women’s Euro setzte die Stadt Bern an sechs Standorten entlang von Fuss- und Velorouten zum Wankdorfstadion temporäre Bemalungen um. Die farbigen Bodenbilder wurden von sechs Künstlerinnen gestaltet und teilweise partizipativ mit der Bevölkerung umgesetzt. Mit Lehmfarbe realisiert, verblassen sie nach einigen Monaten und können bei Bedarf entfernt werden.
Der Ansatz reagiert auf ein bekanntes Muster: Während männliche Jugendliche ihre körperliche Aktivität im öffentlichen Raum meist beibehalten oder ausbauen, ziehen sich Mädchen im Verlauf der Teenagerjahre zunehmend zurück. Sie spielen seltener draussen, bewegen sich weniger frei und nutzen Räume vorsichtiger – nicht, weil das Interesse fehlt, sondern weil öffentliche Räume oft nicht auf ihre Bedürfnisse angepasst sind. Ein zentraler Faktor ist das subjektive Sicherheitsempfinden. Sowohl Jugendliche als auch ihre Bezugspersonen entscheiden auf dieser Grundlage, ob und wie sie den öffentlichen Raum nutzen. Fehlende Aufenthaltsqualität, ein geringes Sicherheitsgefühl sowie Nutzungen, die auf jüngere Kinder ausgelegt oder männlich dominiert sind, wirken hemmend.
Forschungen der Yorkshire Sport Foundation, der NGO Make Space for Girls oder von Henning Larsen zeigen, dass Farbe, Gestaltung und klare Raumstrukturen eine grosse Rolle für das subjektive Sicherheitsempfinden und die Aufenthaltsqualität spielen. Wenn Jugendliche sich orientieren können, sich gesehen und willkommen fühlen, steigt auch ihre Bereitschaft, sich zu bewegen und Räume aktiv zu nutzen. Hier setzen Projekte wie die Berner Street Murals an: Die bunten Flächen verändern die Wahrnehmung von Wegen, schaffen positive Stimmung und vermitteln Zugehörigkeit. Sie machen sichtbar, dass öffentlicher Raum auch für Mädchen da ist – zum Gehen, (Fussball) Spielen, Velofahren oder zum Verweilen.
Solche gestalterischen Eingriffe sind mehr als blosse Verschönerung. Wie eine Studie von Bloomberg Philanthropies zeigt, tragen Asphaltbemalungen nicht nur zur Aufwertung und positiveren Wahrnehmung des Strassenraums bei, sondern verbessern auch die objektive Verkehrssicherheit. Unfälle mit Beteiligung von Fussgänger:innen oder Velofahrenden konnten durch Bemalungen halbiert werden. Mit dem Asphalt Art Guide bietet Bloomberg zudem eine inspirierende Praxishilfe, die Städte und Gemeinden dazu ermutigt, Kunst und Gestaltung als Instrument einer inklusiven, sicheren und lebendigen Stadtentwicklung zu nutzen. Insbesondere für Mädchen und junge Frauen.
Weitere Informationen
- Stadt Bern/KORA: Street Murals: Jungen Frauen Raum schaffen
- Stadt Bern/KORA: Übersicht aller Street Murals
- Mobilservice News Dossier zu "Wie gelingt es, Strassenflächen umzunutzen?" (Februar 2024)
- Mobilservice News Dossier zu "Temporäre Gestaltungen: Interventionen, die sich grosser Beliebtheit erfreuen" (Juli 2023)
- Mobilservice Kurzbeispiel: Bewegen, begegnen, beleben in der Begegnungszone Kyburgstrasse in Zürich (September 2022)
Dokumente auf Englisch
- Henning Larsen (2023): Urban Minded. How can the design of urban spaces contribute to the mental well-being of teenage girls? A Design Guide. [PDF, 6.49 MB]
- Yorkshire Sport Foundation (2022): Make Space for Us. Insight Report. [PDF, 8.13 MB]
- Theocharides-Feldman, Olivia; King, Julia & Clark, Imogen (2025): Exploring Essex Parks – Gendering green spaces for young people. (Make Space for Girls). [PDF, 6.28 MB]
- Schwartz, Sam (2022): Asphalt Art Safety Study. Historical Crash Analysis and Observational Behavior Assessment at Asphalt Art Sites. (Bloomberg Philanthropies). [PDF, 5.44 MB]
