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Pop-up-Velowege, die während der Covid-19-Pandemie realisiert wurden

Erstellt am 04.07.2022

Einer der in Lausanne realisierten Pop-up-Velowege (Foto: Stadt Lausanne) Einer der in Lausanne realisierten Pop-up-Velowege (Foto: Stadt Lausanne)

Während der ersten Phase der Covid-19-Pandemie im Frühling 2020 richteten viele Städte Pop-up-Velowege ein, also temporäre Veloverkehrsinfrastrukturen. Deren Ziel war es, das Abstandhalten (physical distancing) während der Fahrt zu gewährleisten und eine Verlagerung der Wege auf den motorisierten Individualverkehr zu verhindern.

Profil & Eckdaten

zugeordnete Tags/Schlagwörter

  • Pendler
  • Gemeinden
  • Velo
  • Einkauf
  • Freizeit
  • Geschäft

Jährliche Betriebskosten

  • gering (bis Fr. 5'000.-)
0 5'000 20'000
  • gering (bis Fr. 5'000.-)

Investitionskosten

  • hoch (ab Fr. 50'000.-)
0 10'000 50'000
  • hoch (ab Fr. 50'000.-)

Raumtyp

  • Zentrum / Stadt
  • Agglomeration
  • Ländlich / Dorf

Gemeindegrösse

  • < 5'000 Einwohner
  • 5'000 - 10'000 Einwohner
  • 10'000 - 20'000 Einwohner
  • > 20'000 Einwohner

Beispiele

Stadt Lausanne

Wie viele andere Städte auf der ganzen Welt haben auch mehrere Städte in der Westschweiz Pop-up-Velowege eingerichtet, insbesondere die Städte Genf und Lausanne. So hat die Hauptstadt des Kantons Waadt im Sommer 2020 7.6 Kilometer temporäre Velostreifen geschaffen (7,5 Kilometer davon wurden längerfristig beibehalten).

Eine Auswertung des «Observatoire universitaire du vélo et des mobilités actives» (OUVEMA) der Universität Lausanne zeigt, dass sich rund drei Viertel der Velofahrenden auf diesen Pop-up-Velowegen sicherer fühlen und dass fast die Hälfte ihre Routen zum Teil angepasst hat, um von den neuen Velostreifen zu profitieren. Diese Veloinfrastrukturen ermöglichen einem breiteren Publikum, sicherere und angenehmere Wege mit dem Velo zurückzulegen. Davon profitieren insbesondere auch Frauen.

Neuer Velostreifen auf der Avenue du Mont-Blanc in Lausanne (Foto: Stadt Lausanne) Neuer Velostreifen auf der Avenue du Mont-Blanc in Lausanne (Foto: Stadt Lausanne)

Andere Beispiele

In die Auswertung des OUVEMA einbezogen wurde auch die Stadt Genf, die ebenfalls 7.5 Kilometer lange Pop-up-Velowege eingerichtet hat. Der Kanton Waadt wiederum richtete ab Sommer 2020 auf rund 100 Kilometern Kantonsstrassen provisorische, 1.5 Meter breite Velostreifen ein. Diese neuartige Massnahme, die während des ersten Lockdowns entwickelt wurde, verfolgt mehrere Ziele: 

  • Die Waadtländer Bevölkerung, insbesondere die Pendler:innen, dazu bewegen, für ihre Fahrten das Velo statt das Autos zu benutzen
  • Das Velofahren sicherer machen, indem der Abstand, den die Verkehrsteilnehmenden beim Überholen eines Velofahrenden einnehmen, vergrössert wird (der Velostreifen fungiert in diesem Fall als visuelle Orientierungshilfe)
  • Die Koexistenz mit Velofahrenden auf der Strasse unterstützen
  • Andere Verkehrsteilnehmende durch die Markierung auf die Anwesenheit von Velos aufmerksam machen

Diese Infrastruktur wurde nur auf jenen Kantonsstrassen realisiert, die in das kantonale Velowegenetz aufgenommen wurden und eine Breite von mindestens 6.50 Meter aufweisen. Diese provisorischen Massnahmen werden in der Folge im Rahmen der Unterhalts- und Ausbauprojekte der Direktion für Mobilität und Strassen (DGMR) qualitativ und normativ angepasst. Um die Kohärenz und Kontinuität dieser Pop-up-Velostreifen zu gewährleisten, hat der Kanton die Waadtländer Gemeinden aufgerufen, parallel dazu innerorts ihre eigenen Projekte mit vereinfachten und beschleunigten Verfahren zu lancieren. Um deren Realisierung zu unterstützen, stellte der Kanton den Gemeinden Merkblätter zur Verfügung, die einfache und schnell umzusetzende Massnahmen vorstellen, welche die Bedingungen für das Velofahren verbessern.

Pop-up-Velostreifen auf dem Plat du Dézaley (Lavaux), aktuell im Umbau zu definitiver Infrastruktur (Foto: Jean-Bernard Sieber/ARC) Pop-up-Velostreifen auf dem Plat du Dézaley (Lavaux), aktuell im Umbau zu definitiver Infrastruktur (Foto: Jean-Bernard Sieber/ARC)

Beschreibung

Hintergrund

Im Frühling 2020 veränderte die Covid-19-Pandemie die Alltagsmobilität grundlegend. Während des Lockdowns bewegte sich die Bevölkerung deutlich weniger. Mit der Aufhebung des Lockdowns stieg der Mobilitätsbedarf wieder an, jedoch mieden viele Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel. Um eine zu starke Verlagerung auf das Auto zu verhindern und eine Alternative zu fördern, wurden temporäre Infrastrukturen geschaffen, die das Velofahren sicherer machen und so mehr Menschen dazu bringen sollten, sich auf zwei Rädern fortzubewegen. Diese Massnahmen umfassten unter anderem zusätzliche Restaurant-Terrassen, verkehrsberuhigte Zonen und Veloinfrastrukturen wie Pop-up-Velowege. Zu diesem Zweck sperrte die Stadt Lausanne Strassen und hob rund 600 Parkplätze auf, was 2.5% der öffentlich zugänglichen Parkplätze entspricht.

Die neuen Velostreifen in der Rue St-Martin (Foto: Stadt Lausanne) Die neuen Velostreifen in der Rue St-Martin (Foto: Stadt Lausanne)

Angebot

Zwischen Juni und Oktober 2020 schuf die Stadt Lausanne 7.6 Kilometer neue Veloinfrastruktur, hauptsächlich auf den Zufahrtsachsen in die Stadt. Mit diesen Pop-up-Velostreifen wurden bestehende Routen ergänzt und ihre Durchgängigkeit verbessert. Ohne vereinfachte Verfahren hätte deren Realisierung etwa zwei Jahre gedauert. Um mehr Menschen zum Velofahren zu bewegen, wurden die Sicherheit und der Komfort der Veloinfrastruktur verbessert. Hierzu wurden verschiedene Massnahmen umgesetzt:

  • Einrichtung breiter Velostreifen auf Strassen (z.B. Avenue des Figuiers)
  • Einrichtung breiter, geschützter Velostreifen zwischen dem Trottoir und parkenden Autos (z.B. Rue Saint-Martin, Rue de Genève, Route des Plaines-du-Loup)
  • Öffnung neuer Begegnungszonen im Stadtzentrum für Velogegenverkehr (z.B. Rue Pépinet)
  • Aufhebung von Abbiegefahrstreifen, um eine durchgehende Veloinfrastruktur zu schaffen (z.B. Avenue de Provence, Verbindung Stadtzentrum - Campus der Hochschulen)

Karte der in Folge des ersten Lockdowns realisierten Veloinfrastruktur in Lausanne und deren Einbindung ins Netz (Karte: Stadt Lausanne) Karte der in Folge des ersten Lockdowns realisierten Veloinfrastruktur in Lausanne und deren Einbindung ins Netz (Karte: Stadt Lausanne)

Erfahrungen

Die Umsetzung der Massnahmen erforderte grosse Anstrengungen seitens der Stadt. Die Planung erfolgte, als die Mitarbeitenden im Homeoffice waren und die Massnahmen mussten prioritär gegenüber anderen geplanten Projekten umgesetzt werden. Während viele positive Rückmeldungen eingingen - was bei der Stadt eher selten vorkommt - gab es auch negativere Reaktionen. Autofahrende oder Geschäftsleute beschwerten sich über den Wegfall von Parkplätzen, doch in mehreren Fällen konnten in Gesprächen Kompromisse gefunden werden. In der Folge wurden die realisierten Pop-up-Velostreifen fast alle dauerhaft eingerichtet (7.5 von 7.6 Kilometern, was 98.5 % entspricht).

Was die Wirkung der Pop-up-Veloinfrastruktur betrifft, so zeigt eine Auswertung des OUVEMA der Universität Lausanne, dass diese Infrastruktur ein Drittel der Personen, die mit dem Velo unterwegs sind, dazu veranlasst hat, mehr Velo zu fahren. Insgesamt gaben zwischen dem Beginn der Pandemie und der im Sommer 2021 durchgeführten Online-Umfrage 44% der Befragten in Lausanne an, mehr Velo zu fahren und 5% haben sogar wieder damit begonnen, während 9% weniger als zuvor und 42% gleich viel mit dem Velo unterwegs sind.  

Der Effekt der Pop-up-Veloinfrastruktur war besonders gross, da die Bedingungen für das Velofahren in Lausanne als negativ bewertet werden: Mehr als die Hälfte der Befragten fühlte sich auf ihren Alltagsfahrten nicht sicher und war der Meinung, dass ihr Quartier nicht gut ausgestattet war zum Velofahren. Die Einrichtung von temporären Infrastrukturen hat daher für fast drei Viertel der Befragten die Sicherheit und für zwei Drittel die Nutzerfreundlichkeit im Vergleich zur allgemein genutzten Infrastruktur verbessert. Fast die Hälfte der Velofahrenden passte ihre Routen an, um die neuen Infrastrukturen zu nutzen. Ausserdem ermöglichen diese Veloinfrastrukturen einem breiteren Publikum, sicherere und angenehmere Wege mit dem Velo zurückzulegen. Davon profitieren insbesondere Frauen und Personen, die seit Beginn der Pandemie wieder mehr Velo fahren.

Die Wahrnehmung des Nutzens von Pop-up-Velowegen variiert unter den Befragten je nach Mobilitätsgewohnheiten und politischer Einstellung. Regelmässige Velofahrende sind eher dafür, ebenso wie Personen aus autofreien Haushalten, unabhängig von ihrer Velofahrpraxis. Je weiter rechts sich eine Person politisch positioniert, desto weniger ist sie vom Nutzen der neuen Infrastruktur überzeugt.

Wirkung

Umwelt und Energie

Wie die Evaluation gezeigt hat, konnten temporäre Veloinfrastrukturen dazu beitragen, dass mehr Menschen Velo fahren, vor allem auf Kosten des öffentlichen Verkehrs, aber auch durch die Entstehung neuer Wege (die Wegzwecke Spaziergang/Sport nahmen am meisten zu). Die Evaluation kommt ausserdem zum Schluss, dass Velofahrende weniger auf den motorisierten Individualverkehr umgestiegen sind als Nicht-Velofahrende. Eine ganze Reihe von Vorteilen für die Umwelt und den Energieverbrauch gehen damit einher: weniger Lärmbelästigung, bessere Luftqualität oder geringerer Energieverbrauch.

Gesellschaft

Die Evaluation zeigt, dass die Pop-up-Velowege die Sicherheit der Velofahrenden erhöht haben und insb. für Frauen und Personen, die zuvor nicht Velo gefahren sind, das Velofahren attraktiver wurde. Somit haben die Pop-up-Velowege die aktive Mobilität inklusiver gemacht. Mehr Velofahren erhöht auch die Gesundheit der Bevölkerung, da eine tägliche körperliche Aktivität viele gesundheitliche Vorteile mit sich bringt.

Wirtschaft

Mit dem Velo unterwegs zu sein geht oft mit einem stärker lokal orientierten Konsum einher: Einkaufen im Wohnquartier oder der Besuch von Bars und Restaurants in Veloentfernung stärken den lokalen Handel. Darüber hinaus haben viele Menschen auch ihre Ausstattung mit Velos verbessert, wie die Evaluation des OUVEMA gezeigt hat: 25% haben ein neues und 10% ein gebrauchtes Velo gekauft. Diese Käufe, sofern sie bei einem lokalen Geschäft getätigt wurden, trugen zur lokalen Wirtschaft bei, ebenso wie die 10% der Befragten, die ihr Velo reparieren liessen, was selten ausserhalb der Wohngemeinde geschieht.

Werkzeugkasten

Vorgehen

Die Realisierung der Pop-up-Velowege nach der Aufhebung des Lockdowns im Frühsommer 2020 umfasste die folgenden Schritte:

  • Projektierung
  • Realisierung
  • Veröffentlichung im Amtsblatt, um die gesetzlichen Anforderungen einzuhalten  

Die Evaluation der Auswirkungen der Pandemie und der Pop-up-Veloinfrastruktur auf das Velofahren wurde mithilfe eines Online-Fragebogens und einer Umfrage vor Ort durchgeführt.

Finanzierung

Die Finanzierung der Pop-up-Velowege erfolgte durch die Stadt Lausanne, hauptsächlich über Mittel zur Sicherung von Fuss- und Velowegen.

Marketing

Die Stadt informierte über die Pop-up-Veloinfrastruktur an einer Pressekonferenz Anfang Juni 2020, an der auch über andere Massnahmen im Zusammenhang mit Covid-19 informiert wurde, wie den erweiterten Restaurant-Terrassen. In der Folge gab es verschiedene Medienberichte, die diese Massnahmen bekannt machten.

Weitere Informationen

Weiterführende Links

Dokumente auf Deutsch

Dokumente auf Französisch

Dokumente auf Englisch

Kontaktadressen

Stadt Lausanne
Service de la mobilité et de l’aménagement des espaces publics
Stéphane Bolognini, Velobeauftragter 
Rue du Port-Franc 18, Postfach 5354
CH-1002 Lausanne
Tel. +41 21 315 38 36

Universität Lausanne, Institut für Geographie und Nachhaltigkeit
Observatoire universitaire du vélo et des mobilités actives OUVEMA
Prof. Patrick Rérat
Mouline – Géopolis
CH-1015 Lausanne
Tel. +41 21 692 43 30

Fragen Sie auch die Vertreter:innen von Mobilservice Praxis Ihres Kantons um Rat.

Verantwortlich für die Ausarbeitung dieses Praxis Beispiels:

Büro für Mobilität AG
Hirschengraben 2
CH-3011 Bern
Tel. +41 31 311 93 63