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Potential von Restflächen

Erstellt am 04.05.2020

In der Tempo-30-Zone beim Bühlplatz in Bern lädt ein Kreisel, der in einen Gemüsegarten umgestaltet wurde, zum Picknick (Foto: Stadt Bern) In der Tempo-30-Zone beim Bühlplatz in Bern lädt ein Kreisel, der in einen Gemüsegarten umgestaltet wurde, zum Picknick (Foto: Stadt Bern)

„Die Zeit der Parkanlagen mit dem perfekten Rasen ist vorbei. Wir sind heute aufgefordert Möglichkeitsräume im Stadtraum zu bieten.“ (Tiefbauamt der Stadt Bern). Hier setzen Aktionen zur Aufwertung von Restflächen an. Sie tragen zu attraktiveren Strassenräumen bei. Städte und Gemeinden haben grosses Interesse, solche Massnahmen in ihre Konzepte für den öffentlichen Raum, den Fuss- und Veloverkehr sowie die Umwelt einzubeziehen. Gerade für kleine Gemeinden, wo es oft nur wenige Grünflächen oder Orte zum Verweilen gibt, sind solche Ansätze sehr wertvoll, da die Umsetzung im eigenen Massstab und auch nur punktuell erfolgen kann. Inspiriert vom "tactical urbanism" können die Massnahmen temporär oder auch langfristig sein und sie können mit oder ohne Beteiligung der Bevölkerung realisiert werden.

Profil & Eckdaten

zugeordnete Tags/Schlagwörter

  • Pendler
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  • Freizeit
  • Geschäft

Jährliche Betriebskosten

  • gering (bis Fr. 5'000.-)
0 5'000 20'000
  • gering (bis Fr. 5'000.-)

Investitionskosten

  • gering (bis Fr. 10'000.-)
0 10'000 50'000
  • gering (bis Fr. 10'000.-)

Raumtyp

  • Zentrum / Stadt
  • Agglomeration
  • Ländlich / Dorf

Gemeindegrösse

  • < 5'000 Einwohner
  • 5'000 - 10'000 Einwohner
  • 10'000 - 20'000 Einwohner
  • > 20'000 Einwohner

In Signau (BE) wurde eine Restfläche um eine Gedenkstele am Strassenrand zu einem kleinen Platz mit Bänken, einem Mülleimer, Pflanzen und Steinplattenbelag umgestaltet (Foto: Fussverkehr Schweiz) In Signau (BE) wurde eine Restfläche um eine Gedenkstele am Strassenrand zu einem kleinen Platz mit Bänken, einem Mülleimer, Pflanzen und Steinplattenbelag umgestaltet (Foto: Fussverkehr Schweiz)

Beispiel

Aufwertung von Restflächen in der Stadt Bern

Die Stadt Bern entwickelte eine ganzheitliche Vision für den öffentlichen Raum und geht das Thema in verschiedenen Massstäben an. Koordiniert wird die Umsetzung unter anderem durch eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe (Kompetenzzentrum öffentlicher Raum KORA). Ausserdem gibt es verschiedene Instrumente und Werkzeuge wie das Handbuch „Planen und Bauen im öffentlichen Raum“ oder ein Kartenspiel für partizipative Prozesse. Der Gemeinderat hat sich in seinen Legislaturrichtlinien 2017-2020 zum Ziel gesetzt, mehr Begegnungsräume zu schaffen und der Bevölkerung öffentliche Räume für kreative Aktionen zu überlassen. Unter dem Leitmotiv „Stadt der Beteiligung“ wird die Bevölkerung dazu animiert, sich an der Gestaltung des städtischen und regionalen Lebens zu beteiligen. In einigen Projekten, wie beim Bühlplatz-Kreisel war die Stadt Initiantin für die Umgestaltung, in anderen Projekten wie bei „Pop-up Bern“ lud sie die Bevölkerung ein, selber kreativ zu werden und die Quartierstrassen umzugestalten. Oder für die Verschönerung von Elektro-Schaltkästen setzte sie auf den Beitrag von Künstler*innen. Der Fokus liegt oft auf der Schaffung von konsumfreien Räumen, doch manchmal lässt die Stadt während der Sommermonate auch Pop-up-Bars zu.

Beschrieb

Hintergrund

Die Verschönerungsaktionen bei Baumrabatten werden oft mit Patenschaften oder Wettbewerben realisiert, wie hier in Basel (Foto: Baumpatenschaft, Kanton Basel-Stadt) Die Verschönerungsaktionen bei Baumrabatten werden oft mit Patenschaften oder Wettbewerben realisiert, wie hier in Basel (Foto: Baumpatenschaft, Kanton Basel-Stadt)

Als integraler Bestandteil des Strassenraums wird den Restflächen oft wenig Aufmerksamkeit geschenkt im Hinblick auf die Qualität des öffentlichen Raums. Mit kleinen, schnellen, unkomplizierten und kostengünstigen Interventionen auf Restflächen – im Tactical Urbanism auch als „Urbane Akupunktur“ bezeichnet – können Gemeinden jedoch die Attraktivität ihrer Strassen erhöhen. Art und Dauer der Gestaltungsprojekte variieren je nach Eigentumsverhältnissen, Fläche und verfügbarem Budget. Zu den Restflächen in Strassenräumen gehören zum Beispiel Seitenstreifen, Kreuzungen, Kreisel, Parkplatzzufahrten, Trottoirverbreiterungen, Flächen unter Brücken oder Passerellen, Baumrabatten oder Mauern.

Angebot

Das Kompetenzzentrum öffentlicher Raum KORA der Stadt Bern ist Anlaufstelle für die Berner Bevölkerung und unterstützt Vorschläge und Ideen für nicht kommerziellen Projekte im öffentlichen Raum – manchmal mit saisonalem Mobiliar (Tische, Stühle, Tischfussball, ...), manchmal mit temporären Sperrungen von Strassenabschnitten oder Wasserzugang für Urban Gardening Projekte. Bei mehreren Projekten, die realisiert werden konnten, ging es um die Aufwertung von Restflächen. Nachfolgend einige Beispiele:

  • Kreisel Bühlplatz (siehe Bild oben): Der Kreisel, der in einem Wohnquartier nahe beim Uni-Campus liegt und früher aus einem Rasen bestand, wird seit 2017 jedes Jahr von März bis Oktober in einen Gemüsegarten und Picknickplatz umgestaltet. Ausgestattet ist der Platz mit Tischen und Stühlen, Pflanztrögen und einer Wasserleitung, um die Pflanzen giessen zu können. Eine Gruppe Bewohner*innen übernimmt den Unterhalt.
  • Baumrabatten oder Restgrünflächen werden oft mit Blumen bepflanzt. Das Handbuch "Planen und Bauen im öffentlichen Raum" widmet diesem Thema ein Kapitel und stellt sicher, dass wichtige Aspekte beachtet werden wie Ökologie und Biodiversität, Funktion bezüglich Orientierung, Gestaltung, Unterhalt und Sicherheit (Sichtbarkeit der Verkehrsteilnehmer*innen).
  • Wenn ein Projekt Pflanztröge enthält, stellt die Stadt Bern oft nur das Gefäss und die Erde zur Verfügung. Quartierbewohner*innen übernehmen die Bepflanzung und den Unterhalt. Zum Teil wird eine „Giessgruppe“ schon vor dem Projektstart gefunden. Dadurch fällt für die Stadt kein weiterer Flächenunterhalt an und die Bewohner*innen können nach ihren Ideen gestalten.
  • Mobiliar (Spiele, Bänke) und Pflanzen ermöglichen eine Verkehrsberuhigung, etwa durch eine Verengung von Kreuzungen (z.B. Greyerzstrasse) oder durch eine Verschmälerung von Strassen (z.B. Jurastrasse)

Auf der Strassenfläche, die durch die Verengung der Kreuzung am Eingang zur Begegnungszone Greyerzstrasse in Bern frei wurde, wurde ein kleiner Spielplatz mit Bank eingerichtet (Foto: Fussverkehr Schweiz) Auf der Strassenfläche, die durch die Verengung der Kreuzung am Eingang zur Begegnungszone Greyerzstrasse in Bern frei wurde, wurde ein kleiner Spielplatz mit Bank eingerichtet (Foto: Fussverkehr Schweiz)

Auf den seitlichen Verengungen dieser Begegnungszone wurden Blumentöpfen aufgestellt, die von den Bewohnern der Berner Jurastrasse arrangiert und gepflegt werden (Foto: Fussverkehr Schweiz) Auf den seitlichen Verengungen dieser Begegnungszone wurden Blumentöpfen aufgestellt, die von den Bewohnern der Berner Jurastrasse arrangiert und gepflegt werden (Foto: Fussverkehr Schweiz)

Erfahrungen

Die Stadt Bern verfolgt das Prinzip der lernenden Planung. Man geht Projekte pragmatisch an und wendet unterschiedliche Methoden an. Im Sinne eines ständigen Lernprozesses werden die Erkenntnisse aus temporären und kurzfristigen Nutzungen gesammelt und in die langfristigen Projekte eingebracht.

Die verschiedenen Umgestaltungen von Restflächen zeigen eine grosse Nachfrage nach öffentlichen Räumen, und ein klares Bedürfnis, "sein Wohnzimmer nach draussen zu erweitern". Die Leute möchten aktiv werden und sich den Raum aneignen, zum Beispiel durch Urban Gardening. Zwei Stühle am Strassenrand reichen manchmal aus, um neue soziale Interaktionen zu ermöglichen. Auch mit minimalem Aufwand kann die Aufenthaltsqualität deutlich gesteigert werden.

Der Bühlplatzkreisel wurde als Experiment und einmalige Testnutzung gestartet. Aufgrund des positiven Feedbacks und der regen Nutzung - nicht nur von Personen des Giessvereins sondern auch von der übrigen Quartierbevölkerung - ist es unterdessen unvorstellbar geworden, diese grüne Insel abzubauen. Sogar während der Covid-19-Pandemie halten sich hier Leute auf.

Die Beteiligung der Bevölkerung funktioniert in der Regel gut, vor allem wenn bereits ein Wille für eine Umgestaltung vorhanden ist. Es gilt darauf zu achten, dass niemand durch die Umgestaltung vom öffentlichen Raum ausgeschlossen wird und es lohnt sich, von der Unterstützung durch die Nachbarschaft zu profitieren. Deshalb ist es sehr wichtig, die Anwohner*innen im Vorfeld zu informieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Befürchtungen oder Kritik einzubringen. Provisorische Vorhaben haben den Vorteil, dass es möglich ist, die Projekte abzubrechen, sollten sie nicht erfolgreich sein. In Bern ist dies allerdings bisher nie vorgekommen. Die Stadt Bern machte sehr positive Erfahrungen und es gab auch kaum Vandalismus beim zur Verfügung gestellten Mobiliar (z.B. ein Tischfussball und ein Billardtisch beim Monbijouplatz).

Einige zur Verfügung gestellte Stühle und ein temporär gesperrter Strassenabschnitt reichen, dass sich die Bevölkerung den Raum aneignet und mit eigenem Mobiliar ergänzt (Foto: Stadt Bern). Einige zur Verfügung gestellte Stühle und ein temporär gesperrter Strassenabschnitt reichen, dass sich die Bevölkerung den Raum aneignet und mit eigenem Mobiliar ergänzt (Foto: Stadt Bern).

Auf der Strasseninsel beim Monbijouplatz wurde im Sommer ein Billardtisch zur Verfügung gestellt (Foto: Stadt Bern). Auf der Strasseninsel beim Monbijouplatz wurde im Sommer ein Billardtisch zur Verfügung gestellt (Foto: Stadt Bern).

Wirkung

Umwelt und Energie

Vor dem Hintergrund von Klimawandel und anderen ökologischen Herausforderungen fördern heute viele Städte nachhaltige Mobilitätsformen wie das Zufussgehen und Velofahren und begrünen öffentliche Räume. Bepflanzte Oberflächen tragen zur Attraktivität von Fuss- und Velowegen bei und reduzieren Hitzeinseln und Verschmutzung. Mit der Aufwertung von Restflächen verfolgt die Stadt Bern die Vision, die Biodiversität und ökologische Netzwerke zu stärken. Dies wird in verschiedenen Grundlagen für Planung, Gestaltung und Unterhalt festgehalten.

Gesellschaft

Um die Menschen zu ermutigen, sich zu bewegen, spazieren zu gehen oder Velo zu fahren, müssen die Wege sicher und für alle zugänglich sein. Aber damit Menschen ihr Mobilitätsverhalten ändern, reicht es nicht, nur Alternativen zu ermöglichen: Um die Lust an diesen Mobilitätsformen zu wecken, braucht es Massnahmen, welche die Wege attraktiver machen. Werden Restflächen in partizipativen Prozessen umgestaltet, trägt dies dazu bei, die Identifikation mit dem Quartier zu stärken und die Aneignung durch die Bevölkerung zu erleichtern. Die Attraktivität der Strassen spielt auch eine zentrale Rolle bei der Bewegungsförderung im Alltag. Sitzbänke ermöglichen beispielsweise älteren Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität sich auf einem Spaziergang auszuruhen (siehe auch Mobilservice Praxis Beispiel zu Fussgängerfreundlichkeit und Sitzgelegenheiten).

Wirtschaft

Die Finanzierung stellt oft ein wichtiges Hindernis dar, wenn es um die Aufwertung des öffentlichen Raums geht. Interventionen auf Restflächen erfordern hingegen nur sehr begrenzte finanzielle Mittel. Die Gemeinde kann auch einen Teil der Bau- und / oder Unterhaltsarbeiten der Bevölkerung übergeben. Ausserdem ist die Attraktivität der Quartiere für Neuzuzüger*innen ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des Wohnorts.

Insbesondere wenn Künstler*innen in den Prozess einbezogen werden oder wenn ein temporäres gastronomisches Angebot eingerichtet wird, profitiert auch der Tourismus von der Umgestaltung von Restflächen. So hat das Tourismusbüro Bern in einer Sonderpublikation für den Sommer 2019 die "Pop-Ups" mit Verpflegungsmöglichkeiten hervorgehoben und in Wert gesetzt.

Werkzeuge

Vorgehen

Ein Plan, der die Umgestaltung einer bestimmten Anzahl von Restflächen pro Jahr vorsieht, führt zu sicht- und messbaren Ergebnissen. Es ist möglich, Massnahmen zur Aufwertung von Restflächen in eine Gesamtstrategie für den öffentlichen Raum einzubeziehen, die auch weitere Massnahmen umfasst, etwa die Umnutzung von Parkplätzen. In den USA gibt es z.B. die "Plazas and Parklets"-Programme für Parkplätze und Strassen oder Paris verfolgt mit dem Fussgängerplan eine Strategie der „einzigartigen Orte“ und schlägt unter anderem Sportanlagen unter Strassenbrücken vor (APUR, 2017).

Wo mittel- bis langfristig eine kostspielige Sanierung vorgesehen ist, hat eine temporäre Umgestaltung den Vorteil, dass Ideen ohne langwierigen Bewilligungsprozess getestet werden können. In Fällen, in denen die Bevölkerung zum Konzept, zum Bau oder zur Instandhaltung beiträgt, bietet die Testphase Gelegenheit zu überprüfen, ob die Realisierung die Erwartungen in Bezug auf die Nutzung erfüllen kann.

Finanzierung

Die Umgestaltung von Restflächen ist in der Regel kostengünstig und es ist meist möglich, die Kosten aus dem laufenden Investitionsbudget der Gemeinde zu decken. Eine Strategie mit einem Umsetzungsplan über mehrere Jahre kann die Kosten für Koordination, Kommunikation oder Unterhalt optimieren und erfordert dann möglicherweise einen Kredit. Die Massnahmen können auch in Projekte zur Strassensanierung einbezogen werden, in diesem Fall sind die Kosten im Vergleich zum Aufwand für die Bauarbeiten minimal.

Marketing

Partizipative, spielerische oder künstlerische Aktionen im öffentlichen Raum geben sehr gute Bilder für Kommunikationsmassnahmen und Medien, da sie ästhetisch sind und die Belebung der Strassen durch die Bevölkerung illustrieren. Die Aktionen im öffentlichen Raum in der Stadt Bern sind auf den Websites der zuständigen Departemente übersichtlich dokumentiert, inklusive Ansprechpartner und Medienmaterial. Die städtischen Behörden künden die Projekte in Pressemitteilungen an und erläutern, wie sie sich auf die städtische Politik für den öffentlichen Raum beziehen. Tafeln informieren die Anwohner*innen über aktuelle Projekte sowie Partizipationsmöglichkeiten und klären über die Dauer der Aktionen sowie allfällige Änderungen der Verkehrsregeln auf.

Weitere Informationen

Links

Kontaktadresse

Stadt Bern 
Tiefbauamt, Bereich Gestaltung + Nutzung
Bundesgasse 38, Postfach
CH-3001 Bern
Tel. 031 321 64 75
www.bern.ch/tiefbauamt

Fragen Sie auch die Vertreter*innen von Mobilservice Praxis Ihres Kantons um Rat.

Verantwortlich für die Ausarbeitung dieses Praxis Beispiels: 

Fussverkehr Schweiz
Klosbachstrasse 48 
CH-8032 Zurich

Tel. 043 488 40 30
www.fussverkehr.ch

Dokumente auf Deutsch

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